Städtetagsvorsitzender Thomas Kufen
08.05.2024

Appell an Bund und Land: "Nehmt uns und unsere Sicht ernst"

Der scheidende Vorsitzende Thomas Kufen bei der Mitgliederversammlung des Städtetages in Neuss

Eine starke Demokratie braucht starke Städte

Die Städte in NRW fordern Bund und Land auf, bei den großen Transformationsaufgaben mit den Städten gemeinsam voranzugehen und sie als Partner miteinzubeziehen. Das stärke auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das sagte der scheidende Vorsitzende des Städtetages NRW, der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen, in seiner Rede während der Mitgliederversammlung des kommunalen Spitzenverbandes in Neuss. Beim großen Kommunaltreffen sind rund 500 Delegierte und Gäste aus Städten aus allen Teilen des Landes dabei. Das Motto lautet "Wir.Machen.Zukunft."

"Eine starke Demokratie braucht starke Städte“, mahnte Kufen:

"Wir haben Mammutaufgaben vor der Brust, die wir aktiv angehen wollen und müssen: von Klimaanpassung und Wärmewende, über die Mobilitätswende und Digitalisierung bis hin zu guter Bildung und mehr bezahlbaren Wohnungen. Das ist die klare Erwartung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch vom Land und vom Bund."

Damit die Städte handlungsfähig bleiben, brauche es aber auch die nötigen Ressourcen, auch finanzielle, sowie passende Rahmenbedingungen. Das Mittel dafür sei einfach zu haben, wenn die Städte als Partner auf Augenhöhe einbezogen werden, sagte Kufen:

"Dass wir Städte mit unseren Ideen vom Land und beim Bund gehört werden, ist wichtiger denn je. Wenn wir aktiv beteiligt werden, sorgt das dafür, dass Gesetze und Entscheidungen besser werden.

Deshalb: Nehmt uns und unsere Sicht ernst. Wir setzen politische Entscheidungen um, wir sind in Kontakt mit den Menschen vor Ort. Wir wollen und wir können dazu beitragen, dass das Vertrauen in die Politik wieder wächst. Wir brauchen eine echte und ernsthafte Beteiligung."

Neustart bei der Schulfinanzierung

Mehr Tempo und konstruktive Zusammenarbeit forderte Kufen beispielsweise für das Thema Schulfinanzierung. In den Schulen und bei den Schulträgern engagieren sich Tag für Tag Menschen dafür, Bildung besser zu machen. Dennoch zeigt jede neue Bildungsstudie, dass wir enormen Nachholbedarf haben – bei Bildungsgerechtigkeit, Wissens- und Lernkompetenzen oder Digitalisierung. Wir müssen viel mehr und zielgerichteter in unsere Schulen investieren können." Bildungspolitik brauche eine ausreichende strukturelle Finanzierung – nicht nur einzelne Förderprogramme.

Kufen warnte:

"Wir brauchen bei der Schulfinanzierung einen Neustart, aber die von der Landesregierung angekündigte Reform der Schulfinanzierung steckt immer noch in den Kinderschuhen. Das können wir uns nicht mehr leisten. Denn Digitales und technische Anforderungen entwickeln sich rasant. Zudem müssen wir viele zugewanderte Kinder und Jugendlichen in das Schulsystem integrieren. Etwa 100 000 Schülerinnen und Schüler sind aktuell in der Erstförderung und müssen bald in Regelklassen. Wir brauchen bis zum Ende der Legislaturperiode greifbare Ergebnisse, sonst wird das Thema Schulfinanzierung wieder auf Jahre vertagt."

Integration von Geflüchteten

Auch die Integration von Geflüchteten werde in den kommenden Jahren eine Herkulesaufgabe bleiben: An unseren Schulen, bei der Unterbringung, und bei der Integration in den Arbeitsmarkt. "Wir Städte stehen zu dieser humanitären Verantwortung, Geflüchtete aufzunehmen. Wir haben immer gesagt: Die Zuflucht bekommt, wer zu uns fliehen muss. Wir alle wissen aber auch: Dafür braucht es mehr als einen Teller Essen und ein Dach über den Kopf. Dafür braucht es echte Integration. Das ist kein Selbstläufer.“ Bisher sorgen die Kommunen in beeindruckender Weise für die Unterbringung. Hier zeige sich einmal mehr, dass Kommunalverwaltungen funktionieren. „Wir und viele andere Kommunen im Land stoßen aber immer stärker an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit."

Die Erwartungen der Städte seien klar:

"Der Bund muss sich noch stärker finanziell engagieren und zum Beispiel die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete wieder voll übernehmen. Und er ist in der Pflicht, mehr gegen irreguläre Migration und für schnellere Rückführung zu tun.“

Kufen sagte: "Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie endlich eine Novelle des Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) auf den Weg bringt, mit einer deutlichen Anhebung der Pauschalen. Bei den Städten muss mehr Geld für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten ankommen."

Mehr bezahlbares Wohnen

Die Suche nach bezahlbaren Wohnungen treibt viele Menschen in unseren Städten um. "Ja, in vielen Städten ist der Wohnungsmarkt extrem angespannt, verstärkt durch die anhaltende Baukrise. Wir Städte haben unsere Hausaufgaben gemacht. Rund 140 000 genehmigte Wohnungen warten darauf, gebaut zu werden. Aber Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen schneller und entbürokratisiert werden – da sind Bund und Land am Zug und die Städte nehmen sich auch selbst in die Pflicht. Außerdem brauchen wir Investitionszuschüsse für Wohnungsbauträger – gerade für den sozialen Wohnungsbau.“

Immerhin, bei Fördergeldern für sozialen Wohnungsbau ist NRW bundesweit Vorreiter. Das sei gut und sollte so bleiben. Die Nachfrage sei überbordend. Deswegen sollte das Land Wege zu suchen, wie bei dieser erfolgreichen Förderung Mittel nachgelegt werden können.

Fürs Bauen brauchen die Städte aber vor allem eines: Flächen. Kufen forderte:

"Der Bund muss den Städten mehr Handlungsspielräume einräumen und die Vorkaufsrechte für die Kommunen stärken. So können wir uns dafür einsetzen, dass die Bodenpreise gedämpft werden, Flächen gemeinwohlorientiert bebaut werden und bezahlbarer Wohnraum entsteht."