Neusser Erklärung "Wir.Machen.Zukunft."
Präambel
Die Menschen in unseren Städten spüren, dass wir vor großen Veränderungen stehen – beim Klima, beim Wohnen, bei der Mobilität, auch in der Bildung. Vieles, was vor einigen Jahren noch als Gewissheit galt, ist ungewiss geworden. Unser Land verändert sich. Kriege und Konflikte in der Welt haben einen immer stärkeren Einfluss auf unser Zusammenleben vor Ort. Populisten und Extremisten versuchen, die Verunsicherung vieler Menschen für ihre Zwecke zu nutzen. Gleichzeitig haben die Bürgerinnen und Bürger in unseren Städten in diesem Jahr mit vielen Demonstrationen gezeigt, dass sie für Demokratie und für Zusammenhalt einstehen. Dieser Zusammenhalt macht unsere Städte in Nordrhein-Westfalen aus. Zusammenhalt brauchen wir gerade dann, wenn unser demokratisches Miteinander bedroht wird. Die Angriffe der vergangenen Wochen und Monate auf politische Engagierte und Menschen, die täglich für Demokratie einstehen, werden wir nicht hinnehmen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Demokratie lebt von Debatte, auch vom Widerspruch in der Sache – aber immer auch von gegenseitigem Respekt. Gemeinsam gehen wir die Veränderungen an. Wir machen Zukunft.
Wir machen Zukunft – in einem starken Europa
In unseren Städten wird die europäische Idee gelebt: am Arbeitsplatz, in der Freizeit, mit vielen kulturellen, wirtschaftlichen und auch freundschaftlichen Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn. Die Städte in NRW haben von der Europäischen Union immer profitiert. Die Zukunft unserer Städte liegt in Europa. Die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Monat werden richtungsweisend sein. Extreme und populistische Kräfte, denen Europa nichts bedeutet, gewinnen an Boden. Wer Europa bewahren will, muss jetzt Haltung zeigen und eindeutig gegenhalten. Die Städte in NRW stehen fest zu Europa. Unser Appell ist klar: Wählen gehen für ein starkes und demokratisches Europa!
Wir machen Zukunft – mit Wohnraum für alle
Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Aber Wohnen ist noch mehr: Denn Wohnen in unseren Städten bedeutet Heimat. Städte sind Orte, an denen sich Menschen zu Hause fühlen und mit denen sie sich identifizieren. Wie wir in der Stadt wohnen, definiert auch, wie wir zu unserer Stadt stehen. Doch der Wohnungsmarkt ist in vielen Städten stark angespannt. Damit wir Tempo beim Bauen machen können, müssen wir Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfachen – da sind Bund, Land und auch die Städte am Zug. Wir brauchen außerdem Investitionszuschüsse für Bauträger, gerade für den sozialen Wohnungsbau. Die Landesregierung sollte bei den entsprechenden Fördermitteln nachlegen. Und nicht zuletzt brauchen die Städte ein Vorkaufsrecht für alle Grundstücke im Stadtgebiet – damit Flächen nicht jahrelang brachliegen und die Bodenpreise nicht ins Unermessliche steigen.
Wir machen Zukunft – mit guter Bildung für alle
Seit Jahren schneidet NRW bei Bildungsstudien unterdurchschnittlich ab. Unsere Kinder verdienen Besseres. Sonntagsreden sind genug gehalten. Wir brauchen einen bildungspolitischen Neustart. Dazu gehört in NRW, dass das Land die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztag an Grundschulen endlich als bildungs-politische Chance begreift. Die Städte wollen den Ganztag aktiv gestalten, für mehr Bildungsgerechtigkeit. Dafür muss das Land mit einem Ausführungsgesetz eine klare rechtliche Grundlage schaffen und dabei im Schulgesetz den rhythmisierten Ganztag als Regelangebot verankern.
Und wir brauchen die Zusage, dass das Land dafür Mittel bereitstellt. Sonst gibt es vor Ort einen Ganztag nach Kassenlage. Die Städte wollen selbst aktive Bildungspartner des Landes sein. Dazu muss das Land die versprochene Reform der Schulfinanzierung zügig voranzutreiben. Ergebnisse muss es noch vor der nächsten Landtagswahl geben.
Wir machen Zukunft – und sorgen für Integration
Menschen, die vor Krieg und Vertreibung zu uns fliehen, brauchen unseren Schutz. Wir wollen Geflüchtete nicht nur unterbringen und versorgen, sondern müssen auch für gute Integration sorgen. Dazu gehören Kita- und Schulplätze für die Kinder, Sprach- und Integrationskurse für die Erwachsenen und nicht zuletzt Wohnraum bei ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt. Das fordert uns sehr. Die Städte stoßen immer stärker an die Grenzen ihrer Integrationsfähigkeit. Land und Bund dürfen uns mit dieser Herkulesaufgabe nicht allein lassen. Das Land muss die Pauschale im Flüchtlingsaufnahmegesetz deutlich erhöhen, die Vorhaltekosten für nicht belegte Plätze in Unterkünften finanzieren und die Städte bei Integrationsaufgaben und -kosten unterstützen. Der Bund sollte die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete wieder komplett übernehmen und muss die verabredeten Maßnahmen zur Begrenzung von irregulärer Migration und für schnellere Rückführungen abgelehnter Asylbewerber konsequent umsetzen.
Wir machen Zukunft – mit Klimaschutz und Klimaanpassung
Die Städte in Nordrhein-Westfalen übernehmen schon heute Tag für Tag Verantwortung beim Klimaschutz und bei der Klimaanpassung: Sie haben kommunale Klimaschutzkonzepte, bauen erneuerbare Energien aus, entsiegeln Flächen, begrünen Dächer und bauen nachhaltiger. Und mit der kommunalen Wärmeplanung verantworten sie als zentrale Akteure ein Dekadenprojekt. Wir müssen die Strom- und Wärmenetze fit machen für die Energie- und die Wärmewende. Das sind Mammutaufgaben für uns und unsere Stadtwerke. Klar ist: Ohne Städte ist das Ziel der Klimaneutralität nicht zu erreichen. Wir stehen zu unserer Verantwortung. Dafür erwarten wir von Land und Bund aber auch, dass sie uns entsprechend unterstützen. Klimaschutz und Klimaanpassung sind Daueraufgaben, die auch dauerhaft finanziert sein müssen.
Wir machen Zukunft – mit guter Mobilität
Städte in NRW bauen mit Hilfe von Bund und Land Bus- und Bahnnetze aus, setzen auf mehr Radverkehr und fördern Elektromobilität in der Stadt. Statt einzelner Förderprogramme muss das Land dafür eine verlässliche Finanzierungsstruktur für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur anbieten. Für uns ist außerdem klar: Ein stabil finanzierter öffentlicher Nahverkehr muss das Rückgrat der Mobilitätswende vor Ort sein. Die Lastenverteilung bei der Finanzierung des ÖPNV muss zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu austariert werden. Ein wichtiger erster Schritt dafür ist eine langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets, die die Verkehrsunternehmen nicht zusätzlich belastet. Für die Mobilitätswende vor Ort brauchen die Städte außerdem noch mehr Handlungsspielraum. Die im Bundesrat gescheiterte Novelle des Straßenverkehrsgesetzes wäre ein wichtiger Schritt für mehr kommunale Beinfreiheit gewesen. Das Land sollte sich dafür einsetzen, dass die Reform jetzt wieder in die Spur kommt.
Wir machen Zukunft – mit guten Kommunalfinanzen
Die Finanzsituation vieler Städte in NRW ist dramatisch. Der Investitionsstau wird größer und größer, in vielen Bereichen können Kommunen nur noch verwalten, statt zu gestalten. Hinzu kommt, dass immer neue Aufgaben für die Kommunen nicht dauerhaft auskömmlich finanziert sind und die Belastung aus bestehenden Aufgaben stetig zunimmt – vor allem im Sozialbereich. Die steigende Zinslast zehrt angesichts der Altschulden in vielen Städten dann auch noch die letzten Handlungsspielräume auf. Unser Appell an Land und Bund: Ein abgestimmter Lösungsvorschlag für die Altschuldenproblematik muss endlich auf den Tisch. Das Land muss dafür eigene Mittel bereitstellen. Und neue Aufgaben für die Kommunen müssen immer mit zusätzlichen und ausreichenden finanziellen Mitteln einhergehen. Zukunftsfeste Städte kann es nur mit soliden Finanzen geben.