Thomas Eiskirch neuer Städtetagsvorsitzender
08.05.2024

Städte in NRW gehen Zukunftsthemen aktiv an – Land und Bund müssen Rahmenbedingungen verbessern

Der neu gewählte Vorsitzende Thomas Eiskirch bei der Mitgliederversammlung des Städtetages in Neuss

Die Städte in NRW wollen wichtige Zukunftsaufgaben aktiv angehen. Dafür müssen Land und Bund aber auch gute Rahmenbedingungen schaffen. Das machte der neu gewählte Vorsitzende des Städtetages NRW, der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes in Neuss deutlich. Das Treffen der kommunalen Familie in NRW mit rund 500 Delegierten und Gästen steht unter dem Motto "Wir. Machen. Zukunft." Eiskirch betonte:

"Die Städte in NRW übernehmen Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Von der Bildung über die Verkehrswende bis zur Wärmewende – wir wollen diese wichtigen Zukunftsthemen aktiv angehen."

ÖPNV braucht Investitionsschub

In keinem anderen Flächenland in Deutschland finanzieren die Kommunen den ÖPNV so stark mit wie in Nordrhein-Westfalen, trotz extrem angespannter Haushalte. "Die Städte in NRW tun bereits sehr viel für einen attraktiven und bezahlbaren Nahverkehr mit modernen, klimaneutralen Fahrzeugen. Dafür müssen wir mit unseren Verkehrsunternehmen jede Menge investieren", sagte Eiskirch. Deutlich mehr Mittel von Bund und Land gibt es aber nicht – obwohl alle eine klimaneutrale Verkehrswende wollen. Der Städtetag NRW fordert deshalb einen Investitionsschub für den ÖPNV und zusätzliche Mittel für den laufenden Betrieb. Eiskirch:

"Ohne mehr Mittel wird es unmöglich, das bestehende Netz im gleichen Umfang wie bisher aufrecht zu erhalten. Von einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen und dem Erreichen der Klimaschutzziele bis 2030 ganz zu schweigen."

Auf diese Zielmarken hatten sich Bund, Länder und Kommunen aber verständigt. "Wir müssen die Lastenverteilung bei der Finanzierung des ÖPNV zwischen Bund, Ländern und Kommunen grundlegend neu austarieren. Damit die Städte ihre Angebote ausbauen können, braucht es von Land und Bund deutlich mehr Engagement. Die Regionalisierungsmittel des Bundes, die in NRW für den Nahverkehr ankommen, sind deutlich zu gering. Da müssen einige Schippen draufgelegt werden. Stattdessen werden seitens des Bundes sogar Kürzungen der Regionalisierungsmittel diskutiert. Und auch die ÖPNV-Pauschale des Landes stagniert seit Jahren, das muss sich ändern. Das Land muss außerdem seine Investitionsförderung für Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben deutlich ausbauen", so Eiskirch.

"Das Zeitfenster ist eng. Wenn es nicht bald mehr Mittel für den ÖPNV gibt, werden wir statt der Verkehrswende eine Rolle rückwärts erleben. Dann werden Strecken ausgedünnt, statt ausgebaut. Die Verkehrswende bleibt ein leeres Versprechen, wenn man so tut, als sei sie zum Nulltarif zu haben."

Ganztag: Bildungspolitische Chance nutzen

Auch beim Thema Bildung sieht der Städtetag Handlungsbedarf. "Gute Bildung ist elementar für die Zukunft unseres Landes. Aber bei allen aktuellen Bildungsstudien schneidet NRW wieder unterdurchschnittlich ab. Wir brauchen endlich einen bildungspolitischen Neustart", forderte Eiskirch. "Das muss beim Ganztag anfangen: Das Land muss die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztag an Grundschulen als bildungspolitische Chance begreifen und mehr als bisher auf den Tisch legen." Die bisher vom Land vorgelegten "Fachlichen Grundlagen" für den Ganztag beantworten wesentliche Fragen überhaupt nicht. Der Städtetag NRW fordert von der Landesregierung, mit einem Gesetzesentwurf eine klare rechtliche Grundlage für den Ganztag zu schaffen. Das Schulgesetz ist dafür die richtige Stelle. Eiskirch sagte:

"Wenn wir den Ganztag im Schulgesetz verankern, hat das nur Vorteile: Wir können festlegen, wie wir uns den Ganztag qualitativ inhaltlich vorstellen, wir haben eine klare Finanzierungsgrundlage und die Eltern hätten einen Rechtsanspruch, der auch hält, was er verspricht. Stand jetzt müssen wir aber davon ausgehen, dass das Land sich nicht mit zusätzlichen Mitteln am Ganztagesausbau beteiligen will."

Damit drohe in NRW ein Ganztag nach Kassenlage. "Das hemmt den Ausbau vor Ort ungemein. Wir werden dann beim Ganztag nicht halten können, was andere versprochen haben. Wir wollen gemeinsam mit den Eltern beste Ganztagsförderung für alle Kinder in NRW und mit guten Konzepten für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen. Dafür muss sich das Land deutlich mehr engagieren", forderte Eiskirch.

Wärmewende: Land und Bund müssen mehr unterstützen

Thomas Kufen, stellvertretender Vorsitzender des Städtetages NRW, und Oberbürgermeister der Stadt Essen, sagte mit Blick auf die Zukunftsaufgabe Wärmewende: "Die Städte sind mit der kommunalen Wärmeplanung die zentralen Akteure der Wärmewende. Ohne sie sind Wärmewende und Klimaneutralität nicht zu schaffen. Wir analysieren Gebäude und Netze in der gesamten Stadt. Wir klären, wo welche Wärmequellen vorhanden sind und kalkulieren Szenarien für die künftige Wärmeversorgung für Wirtschaft, Gewerbe und für das Heizen zuhause." Kufen weiter:

"Wir müssen die Strom- und Wärmenetze fit machen für die Wärmewende und wollen Fernwärme massiv ausbauen. Das ist ein Mammutprojekt für Jahrzehnte. Auch kommunikativ. Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, womit sie künftig heizen können. Die Städte stellen sich ihrer Verantwortung. Dafür erwarten wir von Land und Bund aber auch, dass sie uns entsprechend unterstützen."

Das Land hat dafür mit dem geplanten Landeswärmeplanungsgesetz bereits den richtigen Weg eingeschlagen. Der Städtetag NRW begrüßt ausdrücklich, dass die Landesregierung volle Konnexität zusichert: "Es ist gut, dass das Land sowohl für das Erstellen als auch für das Fortschreiben der kommunalen Wärmeplanung einen Belastungsausgleich vorsieht, denn die Wärmepläne werden laufend aktualisiert werden müssen", so Kufen. Der Betrag, den das Land für das Erstellen der Wärmepläne vorsieht, dürfte aus Sicht des Städtetages NRW ausreichen. Für das Fortschreiben der Wärmepläne hat das Land noch keinen konkreten Betrag genannt. "Wichtig ist, dass beim Belastungsausgleich auch unsere künftigen Personalkosten enthalten sind. Denn für die Wärmewende brauchen wir Expertinnen und Experten in den Verwaltungen", erklärte Kufen.

Altschulden: Lösungsvorschlag muss endlich auf den Tisch

Damit die Städte in NRW die diversen Zukunftsaufgaben angehen können, braucht es zukunftsfeste Kommunalfinanzen. Dazu erklärte Thomas Kufen: "2024 ist das entscheidende Jahr für die kommunalen Altschulden in NRW. Viele Städte laufen bei der kommunalen Infrastruktur seit Jahren auf Verschleiß. Die steigende Zinslast zehrt angesichts der Altschulden in vielen Städten dann auch noch die letzten Handlungsspielräume auf. Und unterm Strich leidet die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger." Kufen sagte:

"Wir appellieren an Land und Bund, endlich einen abgestimmten Lösungsvorschlag für die rund 20 Milliarden kommunalen Altschulden auf den Tisch zu legen. Das Land muss dafür auch eigene Mittel bereitstellen. Land und Bund sollten aufhören, Ping-Pong zu spielen, sondern müssen ihre Versprechen aus den beiden Koalitionsverträgen einlösen. Wir brauchen endlich eine Regelung, die uns sowohl jetzt als auch zukünftig ein für alle Mal von den immensen Liquiditätskrediten und ihren Zinsrisiken befreit, um Kommunen handlungsfähig auch für weitere Krisen zu halten."

Europawahl: Wählen gehen für ein demokratisches Europa!

Mit Blick auf die anstehende Europawahl sagte Reiner Breuer, Bürgermeister der gastgebenden Stadt Neuss und Vorstandsmitglied des Städtetages NRW: "Die Zukunft unserer Städte liegt in Europa. In unseren Städten wird die europäische Idee gelebt: am Arbeitsplatz, in der Kultur, in der Freizeit. Die Jugendlichen, die mit Interrail unterwegs sind, die Züge und LKWs, die ohne Zollkontrolle über Ländergrenzen rollen, die Kolleginnen und Kollegen, die aus Frankreich, Spanien oder Kroatien bei uns in NRW arbeiten können. All diese Beispiele zeigen, wie stark die Bande zu unseren europäischen Nachbarn sind. In vielen hundert Städtepartnerschaften werden europäischen Werte wie Solidarität und Zusammenhalt auch von der Zivilgesellschaft getragen." Breuer weiter:

"Die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Monat sind richtungsweisend. Wer Europa bewahren will, muss jetzt Haltung zeigen. Unser Appell ist klar: Deine Stimme, deine Stadt, dein Europa. Überlassen wir das Feld nicht den Populisten und Extremisten. Wählen gehen für ein starkes und demokratisches Europa!"