"Wir müssen jetzt Tempo machen"
Der Städtetag NRW fordert von der Landesregierung, möglichst schnell Klarheit über den rechtlichen Rahmen und die finanziellen Förderbedingungen für den Ganztagsausbau. Immer noch fehlen sowohl die schulrechtliche Verankerung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung als auch die zusätzlichen Investitionsmittel des Bundes, die bisher nicht bei den Städten in NRW angekommen sind.
Der Vorsitzende des Städtetages NRW, Oberbürgermeister Thomas Kufen aus Essen, sagte der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung:
"Der Handlungsdruck beim Ganztagsausbau ist enorm. Wir müssten als Städte eigentlich längst angefangen haben, auszubauen, zu sanieren und Platz für die zusätzlichen Ganztagsangebote zu schaffen – gerade mit Blick auf den Rechtsanspruch ab Sommer 2026.
Je länger wir auf klare Entscheidungen des Landes zu den Rahmenbedingungen warten müssen, desto mehr Schülerinnen, Schüler und Eltern werden zum Start des Rechtsanspruches 2026 wohl in die Röhre gucken. Ein Entwurf des Landesausführungsgesetzes zum Ganztagsausbau sowie eine Verankerung im Schulgesetz sind aber auch Mitte 2023 noch nicht in Sicht.
Die alarmierenden Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien haben uns doch gezeigt, dass wir uns ein "Weiter so" nicht leisten können. Deshalb müssen wir jetzt Tempo machen. Jeder Ganztagsplatz, den wir in den kommenden Jahren in NRW schaffen, sorgt für mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.
Aber ohne die entsprechenden Landesgesetze bleibt für uns weiter unklar, welche Vorstellung das Land von einer Ganztagsförderung hat. Welche Anforderungen werden an die Schulräume gestellt? Welche an das künftige Personal? Wie greifen Unterricht und Ganztagsförderung ineinander? Wie werden Sportvereine, Musikschulen und andere außerschulische Lernorte in ein Ganztagsangebot integriert? All diese Fragen sind offen. Bisher gibt es noch nicht einmal einen verlässlichen Zeitplan für das Landesausführungsgesetz zum Ganztagsausbau.
Wir erwarten außerdem von der Landesregierung, dass sie den Ganztagsausbau im Schulgesetz verankert. Das Land muss hier Verantwortung übernehmen. Es darf den Ganztagsausbau nicht einfach an die Städte delegieren und uns dann damit weitgehend allein lassen.
Sonst wird der Ganztag ein Angebot nach Kassenlage. Das vergrößert die Chancenungleichheit von Kindern – und das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.
Schon jetzt wackeln in vielen Städten wegen steigender Preise und fehlender Fachkräfte in der Baubranche die Zeit- und Kostenpläne beim Schulausbau. Bisher ist nur ein kleiner Teil der Investitionsmittel des Bundes für den Ganztagsausbau bei den Kommunen in NRW angekommen. 70 Prozent der Mittel zum Ausbau der Infrastruktur im Ganztag stellt der Bund. Für die jetzt anstehende Förderung sind das in NRW 624 Millionen Euro. Dieses Geld brauchen wir möglichst schnell – dafür muss das Land jetzt die Förderrichtlinie auch endlich beschließen. Und es muss die übrigen 30 Prozent komplett finanzieren, das sind zusätzliche 266 Millionen Euro. Gerade finanzschwache Kommunen brauchen Unterstützung.
Das Land, aber auch der Bund, sollten langsam mit einem ehrlichen Erwartungsmanagement zum Rechtsanspruch auf Ganztag gegenüber den Eltern beginnen: Ein bedarfsdeckendes Angebot in der Fläche zum Schuljahr 2026/2027 wird es Stand jetzt nicht geben. Dafür wurden die Städte zu lange hingehalten, obwohl seit rund eineinhalb Jahren auf Bundesebene feststeht, dass der Rechtsanspruch 2026 kommen soll.“