Mitgliederversammlung
24.06.2020

Wirklich gute Signale, damit Städte weiter investieren können – Land sollte sich für Kaufhaus-Filialen und Arbeitsplätze einsetzen

Pit Clausen, Neuer Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld

Der Städtetag Nordrhein-Westfalen fordert die Landesregierung auf, sich für den Erhalt möglichst vieler Filialen und der Arbeitsplätze von Karstadt Kaufhof einzusetzen. Hier dürfe noch nicht das letzte Wort gesprochen sein, sagte der neue Städtetagsvorsitzende, Oberbürgermeister Pit Clausen aus Bielefeld, nach einer virtuellen Mitgliederversammlung des kommunalen Spitzenverbandes.

Clausen nahm außerdem zu den finanziellen Hilfen von Land und Bund für die Kommunen Stellung: Angesichts dramatischer Steuerausfälle der Kommunen sprach er von "wirklich guten Signalen, damit die Städte nicht in die Krise hineinsparen müssen, sondern weiter investieren können." Dass das Land keine Lösung für die Altschulden der Kommunen anbiete, kritisierte der Städtetagsvorsitzende. Dieses Thema müsse angepackt werden, um den vielen in NRW betroffenen Städten eine bessere Perspektive zu verschaffen.

Pit Clausen sagte: "Die schweren Einbrüche bei den Steuereinnahmen sind für die Städte ein Schlag ins Kontor. Deshalb haben wir in den vergangenen Wochen in vielen Gesprächen deutlich gemacht, dass wir dringend finanzielle Hilfe von Land und Bund brauchen. Diese Unterstützung kommt jetzt: Das Land ersetzt den Kommunen im Jahr 2020 die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle, so wie es der Bund vorgemacht hat. Damit kommt frisches Geld in die kommunalen Kassen. Das haben wir vom Land gefordert. Auch die Mittel für Investitionen in die Krankenhäuser und für den ÖPNV helfen den Städten. Nachdem der Bund die Kommunen durch sein Konjunkturpaket unterstützt, hilft nun also auch das Land seinen Kommunen. Das sind wirklich gute Signale, damit die Städte nicht in die Krise hineinsparen müssen, sondern weiter investieren können." Nachhaltige Hilfe gebe der Bund mit der dauerhaften Entlastung der Kommunen bei den Unterkunftskosten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende – für die NRW-Kommunen etwa 1 Milliarde Euro jährlich. 

Zum Thema Altschulden betonte Clausen: "24 Milliarden Euro kommunale Altschulden sind für die zahlreichen betroffenen Städte in NRW eine schwere Hypothek. Das Land hat im Koalitionsvertrag versprochen, dieses Problem anzugehen. Wir haben das immer wieder angemahnt, aber bis heute keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Das ist unbefriedigend. Hier werden wir also hartnäckig weiter nachfassen. NRW darf nicht das Land der Ankündigungen bleiben, bei der Altschuldenhilfe oder bei der Flüchtlingsfinanzierung. Die Städte erwarten hier nicht nur warme Worte, sondern Taten."

Karstadt Kaufhof

Zu den geplanten massenhaften Kaufhaus-Schließungen sagte der Städtetagsvorsitzende: "Dass viele traditionsreiche Filialen von Karstadt Kaufhof schließen sollen, trifft die Städte hart. Denn mit diesen Kaufhäusern droht ein wichtiger Ort verloren zu gehen, wo sich Menschen versorgen und einander begegnen können. Der Verlust dieser Häuser und der Arbeitsplätze betrifft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kundschaft unmittelbar. Er wirkt sich aber auch auf Innenstädte und Stadtteilzentren aus. Als Städtetag sind wir mit dem Unternehmen, Gewerkschaften, dem Einzelhandel und anderen Akteuren in Kontakt, um zu retten, was zu retten ist. Es geht darum, einen Teil der Filialschließungen vielleicht doch noch zu verhindern. Wir appellieren an das Land, sich für den Erhalt möglichst vieler Filialen einzusetzen. Und wir erwarten vom Land, dass es sich für die Arbeitsplätze der Unternehmensgruppe Galeria Karstadt Kaufhof und weiterer Unternehmen der Signa-Gruppe einsetzt."

Eine Ursache für geplante Schließungen dürften hohe Mietzahlungen sein. Gerade der Einzelhandel und die Gastronomie leiden besonders in der Corona-Pandemie darunter, dass große Immobilieneigentümer und Shopping-Center Mieten nicht reduzieren. Die Städte wollen zusammen mit Gastronomie, Handel, Touristik, Kultur, Veranstaltern zukunftsfähige Innenstadtkonzepte entwickeln. Dafür sei Unterstützung von Bund und Ländern notwendig, insbesondere über die Städtebauförderung. Das Land sollte, wenn nötig, auch den Ankauf von Grundstücken finanziell unterstützen, um längerfristige Leerstände zu vermeiden. Clausen: "Das Land sollte gemeinsam mit den betroffenen Städten zeitnah Gespräche aufnehmen. Denn da, wo am Ende Filialen wirklich schließen müssen, brauchen wir sehr bald tragfähige Konzepte für mögliche Neunutzungen der großen Handelsimmobilien."
 
Situation durch Corona in den Städten ist zerbrechlich

Der Vorsitzende des Städtetages Nordrhein-Westfalen machte deutlich, dass  sich die Städte durch die Corona-Krise während des Lockdowns stark verändert haben. "Wir wissen nicht, ob oder wann unsere Städte wieder so werden, wie sie vor der Krise waren. Wir haben sehr deutlich gespürt, wieviel Lebendigkeit verlorenging und wie wertvoll pulsierendes Leben in den Städte ist. Städte sind Orte der Begegnung und der Kommunikation. Unbeschwertes Stadtleben heißt Bummel durch die Läden, volle Cafés und Plätze. Die Situation ist durch Corona sehr zerbrechlich. Wir werden uns noch stärker engagieren müssen, mit guten Ideen und neuen zukunftsfähigen Konzepten Innenstädte und Stadtteilzentren für die Menschen attraktiv zu halten. Wir müssen dafür sorgen, dass Angebote von Gastronomie oder der freien Kulturszene nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Denn sie sind ein Wesenskern für lebendige Innenstädte."

Die Corona-Krise mit all ihren Unsicherheiten hat auch gezeigt, wie entscheidend Vertrauen in die Politik und gerade in die Handlungsfähigkeit vor Ort sei, sagte der Städtetetagsvorsitzende. "Wir müssen den Menschen Sicherheit geben. Die Menschen brauchen leistungsfähige Städte. Das hat sich in den vergangenen Wochen klar gezeigt. Das merken wir beispielsweise bei der wichtigen Rolle der Gesundheitsämter, die schnell und wirksam bei jedem Corona-Ausbruch agieren können müssen. Das merken wir bei der digitalen Ausstattung der Schulen, bei den Kitas und vielen weiteren Angeboten der Daseinsvorsorge. Die Menschen erwarten, dass es läuft. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Enormes", so Clausen. Die Krise habe deutlich gezeigt, wo es schon gut läuft, wo aber auch Lücken seien, die wir schließen müssen. Auch dafür sei die Zusammenarbeit mit dem Land auf Augenhöhe nötig

Der bisherige Städtetagsvorsitzende, Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm, übernimmt nun das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden.

Nach den Plänen vor Corona wäre die Stadt Essen Ende Mai Gastgeber der Mitgliederversammlung gewesen. Bei der virtuellen Versammlung präsentierte sich Essen mit einem neuen Imagefilm als lebenswerte und zukunftsgewandte Stadt.

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