Städte fordern: Land muss Lebenshaltungskosten für Flüchtlinge endlich voll erstatten und Kosten für geduldete Flüchtlinge maßgeblich tragen
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen haben in ihren Haushalten pro Jahr derzeit eine Finanzierungslücke von mindestens 750 Millionen Euro für Flüchtlingskosten zu schultern, die sie eigentlich vom Land bekommen müssten. Diese Rechnung präsentierten heute während einer Konferenz in Düsseldorf Stadtspitzen und Experten des Städtetages Nordrhein-Westfalen und seiner 40 Mitgliedsstädte. Sie schilderten konkrete Situationen vor Ort und forderten das Land in Anwesenheit von Minister Dr. Joachim Stamp nachdrücklich dazu auf, endlich eine Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) NRW auf den Weg zu bringen. Klarer Tenor der Äußerungen aus den Städten: Es gebe inzwischen großes Unverständnis dafür, dass die seit 2016 geltende FlüAG-Pauschale immer noch nicht erhöht worden sei. Und das Land übernehme nach wie vor nur für kurze Zeit die Kosten für Geduldete, obwohl deren Zahl deutlich gewachsen ist. Das müsse sich dringend ändern.
Nach der Konferenz des Städtetages NRW mit dem Titel "Flüchtlinge in NRW" sagte der Vorsitzende des kommunalen Spitzenverbandes, Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm: "Momentan bekommen die NRW-Städte im Durchschnitt weniger als 30 Prozent der Kosten vom Land erstattet, die zur Sicherung des Lebensunterhalts von Flüchtlingen notwendig sind. Zusammengerechnet für die Städte und Gemeinden im Land ergibt sich eine Finanzierungslücke von jährlich mindestens 750 Millionen Euro. Das Land darf uns nicht länger im Regen stehen lassen, sondern muss endlich für Abhilfe sorgen. Es muss das Flüchtlingsaufnahmegesetz so reformieren, dass ein gerechter Ausgleich der Kosten in den Kommunen erreicht wird. Die derzeit gewährte Pauschale reicht dafür bei weitem nicht aus. Die Reform ist überfällig und das Land muss den Stillstand jetzt schnell beenden." In den Jahren 2018 und 2019 fehlten den Kommunen bei der Flüchtlingspauschale 175 bzw. 155 Millionen Euro, wenn man einen für das Land günstigen Wert zugrunde lege. Weitere 600 Millionen Euro kämen hinzu durch die erheblichen Leistungen der Kommunen für Geduldete, die ihnen das Land bisher nicht erstattet.
Bereits vor mehr als einem Jahr, im September 2018, hatte ein Gutachten der Universität Leipzig zur Evaluierung der Kostenpauschale klar ergeben, dass die Kostenerstattung des Landes an die Kommunen für den Lebensunterhalt von Flüchtlingen zu gering ausfällt. Seither haben die Städte und der Städtetag NRW vom Land wiederholt eine Kostenanpassung angemahnt. Bislang ohne Ergebnis, beklagt der stellvertretende Vorsitzende des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Oberbürgermeister Pit Clausen aus Bielefeld: "Die Städte sind zunehmend verärgert über die Tatenlosigkeit des Landes in Sachen FlüAG-Reform. Die Situation wird auch deshalb immer unbefriedigender, weil ein weiteres Problem hinzukommt und sich verstärkt: Geduldete Flüchtlinge werden bisher vom Land völlig unzureichend berücksichtigt. Für diese Menschen übernimmt das Land gerade einmal für 3 Monate die Kosten. Die Anzahl der Menschen, die als geduldete Flüchtlinge bei uns in den Städten leben und versorgt werden und für die keine FlüAG-Pauschale gezahlt wird, steigt aber stetig. Auch hier sehen wir das Land in der Pflicht, sich maßgeblich und zeitlich unbefristet zu beteiligen und diese Aufgabe nicht länger auf die Kommunen abzuwälzen."
Ende Dezember 2015 gab es gut 43.000 geduldete Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen, am Stichtag 1. Juli 2019 waren es mehr als 58.000 Personen.
Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf, Thomas Geisel, machte in einem Grußwort vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz deutlich: "Verantwortung für das Schicksal von Geflüchteten zu übernehmen und ihnen Zuflucht und Hilfe zu bieten, ist ein humanitärer Akt und ein Bekenntnis zu den Werten von Solidarität und Mitmenschlichkeit. Dazu steht die Landeshauptstadt Düsseldorf. Allerdings kann nicht hingenommen werden, dass das Land die Kommunen auf einem Großteil der entstehenden Kosten sitzen lässt. Allein im Haushaltsjahr 2019 muss Düsseldorf rund 37 Millionen Euro für die Unterbringung der geflüchteten Menschen zuschießen – und da sind die Personalkosten und die Overheadkosten noch gar nicht enthalten."